Sie sagen, der 9. September 2025 war kein guter Tag für die Demokratie.
«Russland muss sich fragen, wie oft die Nato das hinnimmt»
MOSKAU Russische Drohnen drangen in Polens Luftraum ein – ein Experte schätzt die Lage ein.
Sie sagen, der 9. September 2025 war kein guter Tag für die Demokratie.
Klemens Fischer*: Israel greift ein Ziel in einem Drittstaat ohne dessen Zustimmung an, setzt damit einen
kriegerischen Akt und tritt das Kriegsvölkerrecht mit Füssen. Und russische Drohnen dringen in den polnischen
Luftraum ein – ebenfalls ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht.
Was wissen wir konkret?
Es stellt sich die Frage, ob Russland die Flugabwehrbereitschaft Polens testen wollte, ob die Luftraumverletzung Teil des
russisch-weißrussischen Manövers Sapad 2025 war oder ob die Drohnen schlicht vom Kurs abgekommen sind. Aus
völkerrechtlicher Sicht ist es unabhängig von der Begründung ein Verstoß, da Polen keine Kriegspartei ist.
Wie waren die Reaktionen?
Noch bevor Polen sich geäußert hat, stellte Selenski erwartungsgemäß fest, dass es sich um eine gezielte Aktion
Russlands gehandelt habe. Das war aus propagandistischer Sicht nicht anders zu erwarten, verbessert den
überprüfbaren Wahrheitsgehalt aber nicht.
Was sagt Russland dazu?
Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück. Die Drohnen seien für ukrainische
Rüstungsbetriebe bestimmt gewesen, nicht für Ziele in Polen.
Wie beurteilen Sie Polens Reaktion?
Als angemessen. Premierminister Tusk protestierte offiziell, die Luftraumüberwachung bleibt in Alarmbereitschaft, aber die
Luftraumverletzung wird nicht als kriegerischer Akt eingestuft, weder von Polen noch von der Nato. Dies würde in letzter Konsequenz zur
Folge haben, dass die Beistandsklausel gemäß Artikel 5 des Nato-Vertrags ausgelöst würde.
Wieso sie auch immer da waren: Polen hat die Drohnen vom Himmel geschossen.
Der Fall zeigt: Die Abwehrbereitschaft Polens hat dieses Mal zwar ausgereicht. Aber die aktuelle Nato-Verteidigungsbereitschaft ist nicht
ausreichend. Drohnen nur noch mit F35 und F22 abfangen zu können, zeigt, dass die Nato dringenden Aufholbedarf hat und so rasch wie möglich
Nato-weite Übungen abhalten müsste, um den Luftraum auch in Zukunft sichern zu können. Russland muss erkennen, dass dieser Nato-
Grenzabschnitt zwar verwundbar, aber doch nicht so leicht zu überrumpeln ist.
Die Militärübung Sapad 2025 und jetzt dieser Vorfall: Wie geht es weiter?
Militärische Aktionen sind eigentlich nicht zu erwarten, da diese eine Eskalation nach sich ziehen könnten, die auch von der Nato nicht angestrebt wird.
Russland muss sich aber fragen, wie oft derartige Völkerrechtsverletzungen von der Nato noch hingenommen werden können, ohne dass sie direkte
militärische Konsequenzen zieht. DGR
*Klemens Fischer ist Professor für Internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität zu Köln.