Glasindustrie in der Lausitz erhalten!
Spree-Neiße. Die Glasindustrie war einst
der zweitwichtigste Wirtschaftszweig
der Lausitzer Region neben der
Braunkohle. Nun scheinen auch die
Tage der letzten Branchenvertreter in
Drebkau, Weißwasser und Tschernitz
gezählt.
Spree-Neiße-Landrat Harald Altekrüger
wendet sich an EU, Bund und Land.
Bild: Landkreis SPN
Ein Verlust, der weit über die Lausitz
hinaus Auswirkungen hätte – für die
Wirtschaft, die Energiewende und die
Glaubwürdigkeit der deutschen Politik
– gegenüber Investoren sowie der
Bürgerschaft.
Auf Initiative des Landrats von Spree-
Neiße, Harald Altekrüger, geht deshalb
erneut ein Ruf an die Politik, nicht
zuzulassen, dass sich eine ganze
Branche aus der Region verabschiedet.
Denn das wäre eine Verwerfung, die
kontraproduktiv besonders auch den im
Gange befindlichen Strukturwandel
und die Vision eines Net Zero Valley
Lausitz beeinflussen würde. Er schrieb
einen Brief an Vertreter der Bundes- und
Landesregierung.
Ardagh-Glaswerk soll schließen
Nach 110 Jahren Produktionsgeschichte droht dem Ardagh-Glaswerk in Drebkau das endgültige Aus. Am 10. Januar bestätigte die Unternehmensleitung
das Vorhaben der vollständigen Schließung des Werks, das bis zuletzt 163 Mitarbeiter beschäftigte und Weißglasbehälter für die Lebensmittelindustrie
produzierte. Bereits seit Monaten war die Belegschaft größtenteils in Kurzarbeit.
Glasbranche unter Druck
Die Herausforderungen für Ardagh spiegeln die Krise einer ganzen Branche wider: Der Stopp russischer Gaslieferungen seit Beginn des Ukraine-
Krieges hat die Umstellung der energieintensiven Schmelzwanne von Schweröl auf Erdgas verhindert. Gestiegene und weiterhin steigende Energiepreise
und der Wettbewerbsdruck durch hochsubventionierte chinesische Anbieter belasten auch andere Betriebe der Region schwer.
In sächsischen Nachbar-Kreis, in der einstigen Glasmacherstadt Weißwasser, kämpft die Glashütte Stölzle Lausitz mit 330 Beschäftigten mit ähnlichen
Schwierigkeiten.
Prekär ist die Situation bei der Glasmanufaktur Brandenburg GmbH (GMB) in Tschernitz, dem mittlerweile einzigen europäischen Hersteller (!) von
Solarglas für die Modulproduktion. Dort wird ebenfalls eine mögliche Schließung in Erwägung gezogen – was auch ein schwerer Schlag für die
Energiewende in Deutschland wäre.
Lausitz fordert Unterstützung
Bereits vor einem Jahr appellierte Landrat Altekrüger gemeinsam mit Vertretern des Landes Brandenburg und regionalen Mitgliedern des Bundestags in
einem Brandbrief an die Bundesregierung, Maßnahmen zur Rettung der Lausitzer Glasindustrie zu ergreifen. Bis heute blieb eine Reaktion jedoch aus.
Stattdessen hat sich die Lage weiter zugespitzt.
Vertrauensverlust verhindern
Landrat Harald Altekrüger: »Ein Scheitern der Glasindustrie wäre ein weiterer Vertrauensverlust in die Politik. Wir können nicht auf der einen Seite von
Strukturwandel und grüne Modellregion a la Net Zero Valley sprechen und auf der anderen Seite eine Branche sterben lassen, die in Teilen sogar
beispielhaft für grüne Transformation steht. Wir richten uns erneut an die Bundesregierung und weitere politische Akteure und fordern ein sofortiges
Eingreifen, um die Zukunft der Glasbranche in der Lausitz zu sichern.«
Strukturwandel mit Hindernissen
Die Lausitz steht vor gewaltigen Herausforderungen. Während Großprojekte wie das Bahnwerk Cottbus und das
Universitätsklinikum Carl Thiem als Leuchttürme des Strukturwandels gefeiert werden, kämpfen zahlreiche traditionelle
Unternehmen ums Überleben. Firmenpleiten und Standortschließungen prägen zunehmend das Bild der Region.
DANY DAWID,
REGION-LAUSITZ. Von der Automobilzulieferindustrie
bis zur
Glasherstellung: Viele Lausitzer Unternehmen. die über
Jahrzehnte erfolgreich waren, stehen vor Aus. Beispiele
wie die
Kunstgießerei Lauchhammer, das Glaswerk Altekrüger
appelliert
erneut an die Politik, die dramatische Lage ernst zu
nehmen.
Der gleichzeitige Atom- und Kohleausstieg, ohne
alternative Energiekapazitäten aufzubauen, hat die
Energiepreise auf ein Niveau getrieben, das Unternehmen
in ihrer
Wettbewerbsfähigkeit massiv einschränkt. »Maßgebliche
Ursache
unseres wirtschaftlichen Niedergangs ist die gezielte
Verknappung und Verteuerung von Energie«, heißt es
kritisch
in einem Bericht der parteiunabhängigen Mittelstands-Initiative Brandenburg (MIG).
Fehlende Strategien für die Lausitz
Trotz des Strukturwandels fehlen viele Konzepte zur Unterstützung bestehender Betriebe (Unternehmen). >>Stattdessen
werde der Fokus auf Neuansiedlungen gelegt, ohne die Basis zu sichern. Der geplante Kohleausstieg 2030 in NRW sei bereits
gescheitert, ein warnendes Beispiel, das auch für die Lausitz Konsequenzen haben wird<<, so die MIB.
Deutschland muss wieder Wettbewerbsfähig werden
Mitbegründer der Mittelstandsinitiative und Autohaus-Chef Thomas Knott blickt mit Hoffnung auf die anstehenden Neuwahlen
im Februar. Er fordert von der neuen Regierung eine klare Kurskorrektur um Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu
machen, nicht nur im internationalen, sondern auch im europäischen Vergleich.
»Derzeit sind wir in der Rangliste der G20-Staaten bis an den letzten Platz abgerutscht«, kritisiert Knott und sieht die
Ursache neben der verfehlten Energiepolitik und explodierenden Sozialkosten auch in einem fehlenden Gleichklang zwischen
Wirtschaft und sozialen Leistungen.
Knott betont, dass gut bezahlte Arbeitsplätze der Schlüssel seien, um, die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. »Je mehr
wir davon verlieren, desto dringender müssen wir korrigieren.« Deutschland stehe dabei nicht nur im Wettbewerb mit großen
Volkswirtschaften wie China oder Indien, sondern auch mit Nachbarländern wie Polen, Tschechien, Frankreich oder Italien,
die im Vergleich deutlich aufholen. Besonders kritisch sieht Knott den Kohle- und Atomausstieg. »Der Kohleausstieg ist aus
unserer Sicht viel zu früh. «
Auch zum Atomausstieg äußert er deutliche Kritik: »Wir müssen sehen, dass wir bei Dunkelflauten massiv Strom aus anderen
Atomkraftwerken einkaufen, obwohl wir die sichersten Kraftwerke hierin Deutschland hatten. « Er warnt, dass die
Grundlastfähigkeit des Energiesystems in Deutschland ernsthaft gefährdet sei. Die hohen Energiekosten und der massive
bürokratische Aufwand belasten die Betriebe zusätzlich und schwächten ihre Wettbewerbsfähigkeit.