Israel meldet Zerstörung von Urananreicherungsanlage
«Was das kleine Nordkorea schafft, schafft Iran allemal»
Herr Popp, der Iran und Israel überziehen sich mit Angriffen. werden jetzt weitere staaten in den Konflikt eingreifen?
Wenn eine Macht militärischeingreift, dann wären das sicherlich die USA. In gewisser Weise tun
sie das bereits heute: Sie helfen, die iranischen Raketen und Drohnen abzuwehren, greifen aber
ansonsten noch nicht aktiv in den Krieg ein. Die USA ins aktive Kriegsgeschehen zu verwickeln,
ist eines der wichtigsten Kriegsziele Israels – ohne US-Unterstützung wird es kaum gelingen,
die besonders gut geschützten Anlagen des Atomprogramms zu zerstören.
Die Abwehrsysteme Iron Dome, David’s sling und Arrow sollten die israelische Bevölkerung schützen. Haben sie etwa versagt?
Man muss definitiv von einem Versagen sprechen, wenn in Haifa die Ölraffinerie und wichtige
Wissenschaftseinrichtungen schwer getroffen werden. Es scheint, als hätten die Iraner
dazugelernt – sie wissen, wie man die israelischen Abwehrsysteme überwältigt, und es ist davon
auszugehen, dass sie ihre besten Waffensysteme noch gar nicht eingesetzt haben. Die viel
gerühmte Abwehr der Israelis funktioniert offenbar nur punktuell.
Was bedeutet ein «löchriger schutzschirm» für Netanyahu?
Die Verwüstung im Inland wird die Bevölkerung gegen Netan yahu aufbringen. Sein Kalkül ist
natürlich, dass er am Ende der Strapazen vorweisen kann, das iranische Atomprogramm zerstört zu
haben. Wenn das nicht gelingt, dann ist er nichtnur militärisch, sondern auch politisch
gescheitert – und ohne den gleichzeitigen Umsturz des politischen Systems in Teheran wird es
nicht gelingen, den iranischen Aufstieg zur Atommacht zu verhindern.
Also steht die Bevölkerung im Iran in diesem Konflikt hinter der Regierung?
Das ist schwer zu beurteilen – aus meinem persönlichen Umfeld weiss ich, dass ein grosser Teil der Bevölkerung
dieses islamistische System ablehnt und überwinden möchte. Gleichzeitig lieben alle Iraner ihr Land und sind –
unabhängig vom politischen System – willens, es zu verteidigen. Entsprechend halte ich das israelische Kalkül für
fehlgeleitet, dass das System im Iran wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht – ich kann aber nur spekulieren.
Wie nahe ist der Iran an der tombombe dran?
Das nötige Know-how ist vorhanden – die Tötung von Wissenschaftlern und die Zerstörung von Anlagen hat lediglich
einen verzögernden Einfluss: Wenn der Iran nach diesem Angriff entscheidet, Atomwaffen zu bauen, dann wird er das
innerhalb von ein bis zwei Jahren schaffen. Was das kleine Nordkorea schafft, schafft der Iran allemal. Die
Schwelle zur Atomwaffe nicht zu überschreiten, war bisher eine politische Entscheidung der Führung in Teheran.
Dieser unilaterale israelische Angriff ist aber vermutlich ein unerwartetes Ereignis – auch für den Iran –, das
das Kalkül in Zukunft
ändern könnte.
KASPAR SCHWARZENBACH
Könnte Putin von Eskalation
profitieren?
«In weiten Teilen der
‹America First›-Basis herrscht ein starkes
Gefühl von Verrat und Wut,
weil sie sich entschieden gegen die
Vorstellung gewandt haben,
dass die USA an solchen Kriegen beteiligt
sind .»